Anfang 2020 kündigt Verena Liebel ihren Job und fasst den Entschluss sich beruflich zu verändern. Nach zehn Jahren beim gleichen Arbeitgeber. Ohne zu wissen, wie es für sie weitergeht. Was war passiert?
Verena arbeitete bis zu dem Zeitpunkt als Projektmanagerin in einer politischen Stiftung – ein Job, der ihrer fünfköpfigen Familie finanzielle Sicherheit gab. „Ich hatte es nicht geschafft dort wegzugehen, weil ich immer dachte, ich muss die Familie finanzieren“, erklärt sie. Doch jahrelang beschäftigte sie die Frage, in welchen Beruf sie sonst arbeiten könnte. Ihre Schwierigkeit: „Ich wusste gar nicht mehr, was ich gerne mache.“
Im Winter 2019 stieß Verena zu einem Infoabend von Flipped Job Market, der sie mächtig beeindruckte: „Dort hieß es: Bestellt eure Newsletter mit Stellenanzeigen ab, schreibt keine Bewerbungen mehr! Ich dachte mir, wie soll das sonst mit der Jobsuche funktionieren, aber irgendwie leuchtete es mir ein.“ Die Soziologin meldete sich für den großen FJM-Kurs an und entschied sich gleich nach dem ersten Wochenende ihren Job zu kündigen. Dieses Mal wagst du es wirklich, sagte sie sich.
Es folgten zwei intensive Kurswochen, in denen sich Verena unter anderem damit beschäftigte, was sie gerne tut – frei vom Denken in Berufsbildern und Branchen. Sie erkannte: „Ich bin ein Mensch, der ganz viel verbindet – eine Netzwerkerin – und habe gemerkt, dass das meine absolute Stärke ist. Ich bin nicht nur in einem Feld aufgehoben. Ich bin genau dazwischen und gerne mit Aufgaben beschäftigt, in denen verschiedene Disziplinen zusammenkommen.“
Im Kurs lernte die Berlinerin eine Technik kennen, um Netzwerke zu spannen. Sie sprach mit anderen Menschen darüber, warum sie das tun, was sie tun, was für sie das Schöne daran ist und vor welchen Herausforderungen sie dabei stehen. Das allererste Gespräch hatte sie mit einer Kulturvermittlerin, mit der Verena heute eine GbR führt.
Sie machte Verena auf einen 11.000 Quadratmeter großen verlassenen Schulgarten in Neukölln aufmerksam, auf dem ein 100 Jahre altes denkmalgeschütztes Gebäude steht: ein Musterpavillon des Architekten Bruno Traut. „Vor unserem inneren Auge wuchs das alles zu einem großen Kulturprojekt“, erinnert sich Verena.
Die Frauen skizzierten ihre Idee auf Papier. Eines Tages meldete sich das Kulturnetzwerk Neukölln, das eine Zwischennutzung für das Gelände plante. Verena und ihre Mitstreiterinnen warben Gelder ein, im Sommer 2021 konnten sie loslegen. Seitdem bespielen sie mit ihrem Kollektiv für Kulturökologie das Freiraumlabor, geben Workshops in ästhetischer Erforschung des Areals, kooperieren mit der Kreuzberger THIKWA Werkstatt und der ansässigen Jugend-Kunstschule Young Arts Neukölln. „Ich arbeite jetzt künstlerisch, ökologisch, soziologisch, im öffentlichen Raum und vor allem im Grünen. Irre, was da in den letzten zwei Jahren passiert ist.“